Kreuzbandriss

Weitere Bezeichnung: Kreuzbandruptur

Das Kniegelenk wird aus dem unteren Ende des Oberschenkelknochens (Femur), Schienbein (Tibia) und Wadenbein (Fibula) gebildet. Nach außen begrenzt wird das Gelenk durch eine Gelenkkapsel, die das Gelenk schützt und stabilisiert. Weitere Stabilisierung erhält das Gelenk durch die Seitenbänder in der Gelenkkapsel, die Kniescheibe im Kniescheibenband und die Muskulatur der Gliedmaße.

Das vordere und das hintere Kreuzband liegen innerhalb der Gelenkkapsel. Diese Bänder sorgen dafür, dass sich Ober- und Unterschenkel nicht gegeneinander verschieben. Das vordere Kreuzband ist dabei meist stärkeren Belastungen ausgesetzt. Als eine Art Puffer sind zusätzlich zwei knorpelige Menisken zwischen die Knochenenden eingefügt.

Kreuzbandrisse sind die häufigste orthopädische Erkrankung des Hundes. In den meisten Fällen ist das vordere Kreuzband gerissen.

Beim Hund sind Abnutzung (Degeneration) und Vererbung die hauptsächlichen Ursachen für Kreuzbandrisse. Unfälle sind nur in etwa 20% der Fälle als Auslöser an einem Kreuzbandriss beteiligt – ganz im Gegensatz zum Menschen.

Degenerationen des Kreuzbands entstehen entweder durch den normalen Alterungsprozess oder durch Überbelastung. Überbelastungen entstehen durch Übergewicht, Fehlstellungen der Gliedmaße oder zu starke körperliche Beanspruchung. Es besteht jedoch auch eine erbliche Komponente bei Kreuzbandrissen: Eine Steilstellung des Unterschenkels. Bei Hunden mit einer sehr steil stehenden Gelenkfläche des Unterschenkels sind die Belastungen auf das vordere Kreuzband deutlich höher. Bei jedem Schritt wird nämlich der Unterschenkel nach vorne gedrückt und belastet das vordere Kreuzband. Diese Veranlagung zur Steilstellung des Unterschenkels ist erblich.

Aus den angeführten Gründen reißen im Kreuzband wiederholt Fasern und heilen unter Narbenbildungen. Langfristig führen diese kleinen Narben zum Verlust der Elastizität des Kreuzbands und es kommt zum vollständigen oder teilweisen Riss. In den meisten Fällen ist das vordere Kreuzband betroffen. Häufig reißt kurz darauf auch das Kreuzband im zweiten Kniegelenk, da Überbelastungen selten nur einseitig stattfinden. Wenn das Kreuzband reißt, verliert das Knie an Stabilität. Diese Stabilität muss von den anderen Strukturen des Knies geleistet werden. Dadurch kommt es zu starken Verschleißerscheinungen an Menisken, Bändern, Knochen und Knorpel. Es entstehen schmerzhafte Arthrosen.

Besonders große und schwere Hunde mit einem Körpergewicht von über 15kg sind von Kreuzbandrissen betroffen, häufig bereits in jungem Alter. Bei Rottweilern, Labrador und Golden Retriever konnte nachgewiesen werden, dass es durch die besondere Steilstellung des Unterschenkels bei diesen Rassen gehäuft zum Auftreten von Kreuzbandrissen kommt. Bei kleineren Rassen treten Kreuzbandrisse häufig im Zusammenhang mit Kniescheibenluxationen auf. Kreuzbandrisse beim kleinen Hund treten durchschnittlich ab dem 8. Lebensjahr auf. Bei allen Rassen und in allen Altersklassen führt Übergewicht zu einem gehäuften Auftreten von Kreuzbandrissen.

Bei erst kleinen Faserrissen oder nur teilweise eingerissenem Kreuzband bestehen leichte Lahmheiten über einige Tage und verschwinden dann häufig wieder. Seitenbänder, Menisken und Muskulatur übernehmen dann zumindest teilweise die Funktion des Kreuzbands.

Bei erneuter, starker Belastung kann es dann zu einem vollständigen Riss des Kreuzbands kommen. Die Lahmheitssymptome sind dann stark ausgeprägt. Im Stehen wird die Gliedmaße deutlich entlastet, der Hund steht wie auf einer heißen Herdplatte und tippt mit dem Fuß immer nur kurz auf. Beim Sitzen streckt der Hund das betroffene Bein gerade zur Seite weg, um Schmerzen bei der Beugung des Kniegelenks zu vermeiden. Diese Schmerzen entstehen durch eine zusätzliche Belastung der Menisken, die stark von Nerven innerviert sind. Auch bereits vorliegende Arthrosen sind sehr schmerzhaft.

Für eine eindeutige Diagnose eines Kreuzbandrisses ist der Vorbericht sowie eine gründliche orthopädische Untersuchung notwendig. Wiederholte, kurzzeitige Lahmheiten des Hinterbeins sind ein häufig von Tierhaltern beschriebendes Symptom. Bei der orthopädischen Untersuchung kann der Tierarzt beispielsweise eine Schwellung oder mit Hilfe des so genannten Schubladen-Test eine abnorme Beweglichkeit im Kniegelenk feststellen. Der Unterschenkel lässt sich bei dieser Untersuchung deutlich nach vorne (beim Riss des vorderen Kreuzbands) oder nach hinten (beim Riss des hinteren Kreuzbands) schieben. Eine Ausnahme bilden einige ältere Hunde: Die Gelenkkapsel kann hier durch den Alterungsprozess schon so stark verdickt sein und dem Gelenk Stabilität verleihen, dass diese Schubladen-Probe nicht mehr durchführbar ist, aber trotzdem ein Kreuzbandriss vorliegt. Und auch bei großen Hunden mit kräftiger Muskulatur kann der Test trotz Kreuzbandriss negativ verlaufen. Mit dem so genannten Tibia-Kompressions-Test steht dem Tierarzt dann eine weitere Methode zur Verfügung, einen Kreuzbandriss zu diagnostizieren. Dazu kann eine kurze Narkose notwendig sein. Die Sitz-Probe, mit dem seitwärts ausgestreckten Bein, ist ebenfalls ein diagnostischer Hinweis. Mit Hilfe von Röntgenaufnahmen kann beurteilt werden, ob das Gelenk vermehrt mit Gelenkflüssigkeit gefüllt ist oder ob im Gelenk bereits Arthrosen vorliegen, das Kreuzband selbst oder die Menisken können auf einem Röntgenbild nicht dargestellt werden. Einige Tierärzte empfehlen deswegen eine Arthroskopie, um gleichzeitig auch den Zustand der Menisken beurteilen zu können.

Ein Kreuzbandriss ist kein Notfall, die Behandlung sollte dennoch zügig begonnen werden, um die Entstehung von Arthrosen und Meniskusschäden zu verhindern.

Konservative Behandlungsmaßnahmen , also schmerzlindernde Medikamente, Schonung und Physiotherapie, führen bei Hunden mit geringem Körpergewicht (kleiner als 15kg) teilweise zu einem guten Ergebnis. Sollte nach einer Ruhezeit von 6 – 8 Wochen keine Lahmfreiheit bestehen, sollte allerdings ein chirurgischer Eingriff vorgenommen werden, da vermutlich ein Meniskusschaden vorliegt. Bei großen, schweren Hunden führt eine konservative Behandlung nicht zu einem befriedigenden Ergebnis.

Chirurgisch stehen sehr viele Möglichkeiten zur Verfügung. Ziel jeder dieser Maßnahmen ist es, dem Gelenk Stabilität zu geben. Dadurch werden Schäden an weiteren Strukturen des Kniegelenks, vor allem der Menisken, verhindert und der Bildung von Arthrosen vorgebeugt.

Bei Operationen ohne Eröffnung der Gelenkkapsel wird durch verschiedene Maßnahmen die Kniegelenkkapsel von außen gestrafft. Dies soll dem Gelenk zusätzliche Stabilität verleihen und die Bildung von Arthrosen vermindern. Diese Methoden können insbesondere bei kleinen und leichten Hunden erfolgreich sein. Bereits geschädigte Menisken können bei dieser Methode jedoch nicht entfernt werden, dazu ist zusätzlich eine Arthroskopie notwendig.

Durch Eröffnung der Gelenkkapsel können gerissene Kreuzbänder und eventuell verletzte Menisken entfernt werden. Diese stören sonst den Bewegungsablauf im Knie und führen zu zusätzlichen Arthrosen. Um dem Gelenk wieder Stabilität zu geben, wird entweder die Gelenkkapsel gestrafft und mit besonderen Nahtverfahren stabilisiert oder es werden künstliche Kreuzbänder eingesetzt. Diese Methoden können auch bei größeren Hunden eingesetzt werden.

Bei diesen Operationsmethoden werden die auf das Kniegelenk beim wirkenden Kräfte umgeleitet. Diese Maßnahmen sind sehr invasiv, erzielen aber besonders bei großen und schweren Hunde langfristig sehr gute Ergebnisse.

Tibia-Plateau-Leveling-Osteotomie (TPLO)

Die so genannte Tibia-Plateau-Leveling-Osteotomie (TPLO) oder Korrekturosteotomie des Unterschenkel-Plateaus nach Dr. Slocum stammt aus den USA und darf nur von zertifizierten Tierärzten angewandt werden. Dabei wird ein Keil aus dem Unterschenkel gesägt, gedreht und mit einer Platte verschraubt. Durch diese Maßnahme verändert sich die Lage des Unterschenkel-Plateaus von schräg zu waagerecht. Der Oberschenkel trifft dadurch relativ gerade auf den Unterschenkel, die Kräfte werden beim Laufen anders geleitet und die Belastung auf das Kreuzband entfällt: es wird überflüssig. Die Gelenkkapsel bleibt von diesem Eingriff unberührt, erst unterhalb der Gelenkkapsel wird gesägt. Zusätzlich muss eine Arthroskopie durchgeführt werden, bei der die Kreuzbänder und Menisken auf das Ausmaß ihrer Schäden untersucht werden. Eingerissene Kreuzbänder können belassen werden, geschädigte Menisken werden entfernt.

In den meisten Fällen kann die eingefügte Platte belassen werden. Nur sehr wenige Hunde stören sich daran und lecken beispielsweise vermehrt bei kaltem Wetter. Dann sollte die Platte entfernt werden.

Bei einer Tibial Tuberosity Advancement (TTA) wird eine Knochendurchtrennung (Osteotomie) im Bereich des vorderen Schienbeins durchgeführt. Das abgetrennte Knochenstück wird mit einem Platzhalter aus Titanium dauerhaft nach vorne versetzt. Der entstehende Spalt wird mit Knochenimplantat gefüllt, um die Heilung zu beschleunigen. Durch diese Osteotomie wird die Ansatzstelle des Kniescheibenbands am Schienbein verlagert. Im Kniegelenk fallen dadurch die Scherkräfte weg, die das vordere Kreuzband ausgleichen sollte. Das Kreuzband wird nicht mehr benötigt. Mit Hilfe einer Arthroskopie können dann eventuell noch Bandreste oder Menisken entfernt werden.

Bei allen chirurgischen Methoden gibt es Vor- und Nachteile. Nach derzeitigem Wissensstand kann keine der Methoden bessere Resultate oder geringere Komplikationen versprechen. Der behandelnde Tierarzt wird im Einzelfall abwägen, welche Methode bei welchem Hund am passendsten ist. Auch die entstehenden Kosten sollten bei der Entscheidung in Betracht gezogen werden.

Bei allen Operationen am und um das Gelenk ist die Nachsorge von entscheidender Bedeutung. Schonung, monatelanger Leinenzwang und gezielter Muskelaufbau mit Hilfe von Physiotherapie tragen enorm zum Erfolg der Operationen bei. Ein genauer Plan zur Nachsorge sollte mit Ihrem Tierarzt erstellt werden.

Quelle: enpevet.de